Zwei Koffer im Schaufenster, ein Schreibtisch, dahinter eine Skandinavienkarte. Auf den ersten Blick wirkt die „Personalarena“ in der Berliner Sredzkistraße wie ein Reisebüro. Nur dass die meisten, die kommen, kein Rückfahrticket brauchen.  „Es will selten jemand zurück“, sagt Bjørn Engeset. Der 40-Jährige vermittelt seit zwei Jahren hoch qualifizierte Deutsche an norwegische Unternehmen, und zwar von Berlin aus. Denn in Norwegen gibt es mehr Stellen als gut ausgebildete Fachkräfte. Die Arbeitslosenquote beträgt rund zwei Prozent.   Nach Angaben der deutsch-norwegischen Handelskammer in Oslo ist der Bedarf an Ärzten, Handwerkern und Ingenieuren zurzeit besonders hoch. Insgesamt sind 140000 Stellen unbesetzt. Engeset vermittelt hauptsächlich Berufskraftfahrer, aber auch Fleischer, Installateure und Ingenieure.   „Auf eine Stelle bewerben sich im Schnitt neun Deutsche“, sagt er. Auch wenn fast jeder zweite Bewerber arbeitslos ist, hat Engeset immer genug Auswahl, um sich die Besten herauszupicken. „Für Berufskraftfahrer muss ich kaum noch freie Stellen ausschreiben, das läuft alles über Mundpropaganda.“   Ingenieure sind hingegen auch in Deutschland sehr gefragt. „Der Markt ist hart umkämpft“, bestätigt Engeset. Trotzdem kündigten Ingenieure häufig ihren Arbeitsplatz in Deutschland, weil sie unbedingt in der Öl- und Werftindustrie arbeiten wollten. „Die meisten Bewerber sind so hoch motiviert, dass sie für eine feste Ingenieursstelle in Norwegen auch dauerhafte Fernbeziehungen in Kauf nehmen.“  Doch was reizt die Deutschen ausgerechnet am Land der Fjorde? „Qualifizierte Arbeitskräfte werden in Norwegen besser bezahlt, außerdem sind die Hierarchien flacher“, erklärt Engeset. Trotz der höheren Lebensmittelpreise ist die Kaufkraft in Norwegen nach der OECD-Liste deutlich höher als in Deutschland, so dass die Portemonnaies tatsächlich besser gefüllt sind.   „Die Leute sparen viel Geld beim Strom und der Kinderbetreuung“, sagt Engeset. Auch die Mieten sind verhältnismäßig billig: Wer an der Westküste außerhalb von Oslo und Stavanger wohnt, bezahlt für seine Wohnung im Schnitt so viel wie in Berlin.  Eine Studie der Universität Oslo hat belegt, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen Europäern besonders gute Arbeitnehmer sind. Sie haben im Schnitt die höchste berufliche Kompetenz und eine sehr große kulturelle Nähe zu den Norwegern. Außerdem lernen sie die Sprache vergleichsweise schnell und bleiben meist für immer in Norwegen.  Deshalb wirbt der norwegische Staat mit Starthilfen und finanziellen Anreizen gezielt um deutsche Fachkräfte. Zudem veranstaltet die Stadt Oslo regelmäßig Informationsseminare in deutschen Industrie- und Handelskammern – zuletzt in Kiel und im April in Lüneburg.  „Es ist sehr einfach für Deutsche, nach Norwegen auszuwandern“, bestätigt Engeset. Sprachkurse kosten je nach Gemeinde rund drei bis vier Euro pro Stunde. Für die ersten drei Monate erhalten Deutsche automatisch eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, die sie später bei der Polizei verlängern können. Zudem müssen sie im Einwohnermeldeamt eine Personennummer und im Finanzamt eine Lohnsteuerkarte beantragen. „Die Ämter sind in jeder Gemeinde im selben Gebäude, oft auch im selben Büro“, erklärt Engeset.   Doch nicht nur die Ämter arbeiten in Norwegen unbürokratischer als in Deutschland. Die meisten Unternehmer erwarten von ihren künftigen Arbeitnehmern, dass sie so schnell wie möglich anfangen. In der „Personalarena“ dauert eine Vermittlung deshalb im Schnitt anderthalb bis zwei Monate. „Ich habe auch schon Bewerber nach Norwegen geschickt, die zwei Wochen nachdem ihre Bewerbung bei mir eingegangen war, ihren ersten Arbeitstag hatten.“  Die meisten qualifizierten Bewerber wollen so schnell wie möglich wieder arbeiten. Engeset hat sich deshalb auf bestimmte Berufsgruppen spezialisiert. Ärzte können sich beispielsweise nicht bei ihm bewerben, weil sie in Norwegen eine Berufszulassung brauchen. „Das kann bis zu einem halben Jahr dauern – und so lange wollen die meisten Arbeitgeber nicht warten“, sagt Engeset.   NICOLE SEROCKA
NUR WENIGE KOMMEN WIEDER Auswanderung nach Norwegen KIELER NACHRICHTEN 03/2008  Die deutsche Wirtschaft boomt. Zahlreiche Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Doch immer mehr Deutsche wandern aus – auch nach Skandinavien. Denn dort locken höhere Gehälter und oft auch ein besseres Arbeitsklima